Einblicke in eine Extremisten-Szene
Wohl den meisten der fast 40 Besuchern lief ein kalter Schauer über den Rücken beim Betrachten des Videomaterials, das Klaus Hartwig, Staatsschutz/Präventionsreferent von der Polizeiinspektion Northeim/Osterode, anlässlich seines Vortrages in Herzberg zum Thema „Salafismus, Islamismus und Extremismus“ in der Seniorenresidenz Stiemerling vorführte. Eingeladen zu dieser Informationsveranstaltung hatte die SPD-AG 60 Plus Region Harz.
„Das Thema ist hochbrisant“, so der erste Vorsitzende Helmut Minne in seiner Begrüßung „und sollte bei uns allen eine erhöhte Wachsamkeit hervorrufen“. In dem rund anderthalb Stunden langen Vortrag von Hartwig, lieferte dieser Einblicke und Hintergründe. Der Grundgedanke im Islam und im Islamismus sei die Errichtung eines Gottesstaates. „Nur die Wege dahin sind unterschiedlich. Den Islamismus gibt es nicht ohne den Islam, aber der Islam kann auch ohne Islamismus auskommen“, so der Präventionsexperte. Das Extremste unter den Extremisten ist der Salafismus. Dieser ist eine Strömung im Islam, die sich an den ersten drei Generationen der Muslime orientiert, die als „rechtschaffene Altvorderen“ bezeichnet werden. Diese drei Generationen lebten nach dem Tod des Religionsbegründers und Propheten Muhammad im 7. Jahrhundert nach Christus. Die grundlegenden Quellen des Islam, der Koran und die Überlieferungen des Propheten Muhammad sind unveränderte Grundlagen des Salafismus, der Anpassungen der Islamauslegung als „unislamische Neuerungen“ ablehnt, da diese zum „Unglauben“ führen.
Der salafistische Islam an sich sei zwar fundamentalistisch, jedoch nicht extremistisch im Sinne einer Ideologie. Bei all der Angst, die aufgrund der Anschläge in der Bevölkerung vorhanden sei, dürfe man jedoch nicht alle Muslime in eine Schublade packen, so Hartwig, der berichtete, dass nach den Anschlägen in Paris ein deutsches Mädchen nicht mehr mir seiner türkischen Freundin spielen durfte. „Wenn das so in unserer Gesellschaft durchgeht, dann haben wir alle verloren“. Der Salafismus werde dann extremistisch oder sogar terroristisch, wenn die vermeintliche Orientierung an einer idealen islamischen Gesellschaft in ein politisches Programm gegossen werde.
Während seines Vortrages zeigte Hartwig auch Videomaterial von Botschaften extremer Salafisten, zu denen man als aufgeklärter Menschen nur den Kopf schütteln kann. Jugendliche jedoch würden dadurch über die verschiedensten Bedürfnisse angezogen, wenn unterschiedliche Voraussetzungen, wie etwa die Komplexität des Lebens, die Suche der eigenen Identität, Haltlosigkeit und andere Dinge, aufeinandertreffen, so Hartwig. Fachleute hätten festgestellt, dass bei einem Großteil der männlichen Überläufer zum Salafismus die Vaterfigur fehlt und bei den weiblichen eine verschmähte Liebe der Grund sei. Die Persönlichkeit dieser Szene ersetze diese Bedürfnisse der Jugendlichen, die im Internet über salafistische Anwerber angelockt werden, indem die westliche Kultur mit radikalislamischen Elementen vermischt würden, sodass dadurch eine Art „Pop-Dschihad“ vermittelt werde. „Ganz wichtig dabei ist jedoch“, so Hartwig „Niemand wird als Extremist geboren“. hn