Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann wird bei der Bundestagswahl im September nächsten Jahres nicht erneut im Wahlkreis Göttingen antreten. „Nach 30 Jahren als Abgeordneter im Niedersächsischen Landtag und im Deutschen Bundestag ist für mich jetzt der richtige Zeitpunkt, noch einmal etwas anderes zu machen und mir neue Projekte vorzunehmen“, sagte Oppermann. Er sei mit Herzblut Parlamentarier und habe die damit verbundenen enormen Gestaltungsmöglichkeiten voll ausgeschöpft.

Oppermann: „Ich durfte in drei spannenden Jahrzehnten die Politik in Deutschland an vorderster Stelle mitgestalten und bin dankbar dafür, dass mir meine Wählerinnen und Wähler das ermöglicht haben. Mein Dank gilt auch meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und meinen politischen Weggefährten, die mich unterstützt haben.“

Begonnen hat die politische Karriere von Thomas Oppermann im Alter von 36 Jahren, als er 1990 zum ersten Mal in den Niedersächsischen Landtag gewählt wurde. Er war dort acht Jahre rechtspolitischer Sprecher, bevor ihn Gerhard Schröder 1998 als Minister für Wissenschaft und Kultur in sein Kabinett holte. Oppermann betrachtete dieses Ressort als Glücksgriff, definierte es als Innovations-Ministerium und stürzte sich in die Reformarbeit. Er entbürokratisierte die Hochschulen und gab fünf von ihnen (darunter die Georg-August-Universität) die Möglichkeit, sich in Stiftungen des Öffentlichen Rechts umzuwandeln. In Göttingen wurden in seiner Amtszeit die Neue Physik (120 Mio. €), das Europäische Neurowissenschaftliche Institut, das Zentrum für Molekularbiologie und das X-Lab gebaut sowie ein neues Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation aus der Taufe gehoben. In diese Zeit fiel auch der Neubau der Fachhochschule auf den Zietenterrassen.

Nach 15 Jahren im Landtag kandidierte Oppermann bei der Wahl 2005 erstmals für den Bundestag. Schon nach zwei Jahren stieg er zur Nummer 2 der Fraktion auf und wurde auf Vorschlag von Peter Struck zum Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer gewählt. In dieser Zeit war er auch Mitglied und Vorsitzender des Geheimdienst-Kontrollgremiums.

Nach der Bundestagswahl 2013 wurde Oppermann als Nachfolger von Frank-Walter Steinmeier SPD-Fraktionsvorsitzender und steuerte die Parlamentsarbeit in der Großen Koalition. Sein Ziel, Bundesinnenminister zu werden, um unter anderem eine fortschrittliche und kontrollierte Migrationspolitik durchzusetzen, konnte er nicht verwirklichen, weil die Union dieses Kern-Ressort immer für sich beansprucht hatte.

Das von ihm gegen anfängliche Widerstände auch in der SPD entwickelte Konzept eines Einwanderungsgesetzes hat sich aber inzwischen allgemein durchgesetzt. Nach der Bundestagswahl 2017 gab Oppermann die Fraktionsführung an Andrea Nahles ab und wurde Bundestagsvizepräsident. In dieser Funktion setzt er sich für die Einführung eines Lobbyregisters und eine Verkleinerung des Bundestages ein. Sein Credo: „Ein Parlament, das es nicht schafft, sich selbst Grenzen zu setzen, beschädigt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die parlamentarische Demokratie.“ Außenpolitisch engagiert sich Oppermann als Vizepräsident des Deutschen Bundestages für eine enge parlamentarische Zusammenarbeit mit jungen Demokratien und setzt sich für Parlamentarier, Politiker und Journalisten unter dem Druck repressiver Staaten ein.

Oppermann hat den Wahlkreis Göttingen viermal hintereinander direkt gewonnen, was vor ihm kein anderer Abgeordneter geschafft hatte. „Die Demokratie lebt vom Wechsel und vergibt Mandate nur auf Zeit. Es ist nicht nur eine Kunst, ein Mandat zu erringen, sondern auch, es im richtigen Zeitpunkt wieder abzugeben. Ich wollte immer, dass mir das gelingt, und freue mich jetzt auf einen neuen Lebensabschnitt“, sagt Oppermann.

Seine persönliche Entscheidung sei bereits vor einigen Monaten gereift, er habe aber mit der Bekanntgabe bis jetzt gewartet, um mit der vollen Autorität für wichtige Göttinger Projekte kämpfen zu können. Dazu gehört das neue Fraunhofer Medizin-Institut (70 Mio. €), das jetzt in trockenen Tüchern sei und noch in diesem Jahr seine Arbeit aufnehmen werde. Oppermann versicherte, dass er sein Mandat und sein Amt als Bundestagsvizepräsident bis zum Ende der Wahlperiode mit vollem Einsatz fortführen werde. Im Bundestagswahlkampf werde er sich mit allen Kräften für die SPD und Kanzlerkandidat Olaf Scholz engagieren.

Der SPD-Unterbezirksvorstand wird sich am Dienstag mit der Vorbereitung der Bundestagswahl befassen und ein Verfahren zur Aufstellung eines Kandidaten / einer Kandidatin beraten und beschließen.