Im "Startraum" Göttingen konnte SPD-Unterbezirksvorsitzender Thomas Oppermann die SPD-Spitzenkadidatin Katarina Barley begrüßen. Als "ruhig, unaufgeregt und klar" beschreibt anschließend das Göttinger Tageblatt ihren Auftritt vor rund 150 Zuhörern. Tageblatt-Redakteur Michael Brakemeier: "Den Göttinger Genossen hat sie Mut gemacht." Und hoffentlich nicht nur denen!

Sozialer und gerechter soll das Europa werden, für das Katarina Barley mit der SPD kämpft. Die Bundesjustizministerin und Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl hat am Montag auf ihrer Wahlkampf-Rundreise Station in Göttingen gemacht. Vor rund 150 Zuhörern legte sie in einer öffentlichen Veranstaltung ihre Vorstellung von Europäischer Union dar. Europaweite Mindestlöhne nennt sie ebenso wie die Stärkung von Arbeitnehmerrechten, die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit und die europaweite Stärkung des sozialen Wohnungsbaus. „Auch die Klimafrage ist eine soziale Frage“, sagt Barley. Führe der Klimawandel doch zu sozialen Verwerfungen. Und: Wenn Firmen in Europa Geld verdienen, sollen sie auch hier Steuern zahlen, macht Barley deutlich.

In der Diskussionsrunde gefragt nach drohenden Konsequenzen für zivile Seenotretter, die Menschen im Mittelmeer vor dem Ertrinken retten, stellt Barley unmissverständlich klar: „Menschen in Not müssen gerettet werden.“ Die EU-Rettungsaktion „Sophia“ müsse diese Aufgabe wieder übernehmen. „Die EU muss darstellen, dass Seenotrettung nicht kriminell ist“, sagt Barley. Das kommt an im Publikum – vor allem bei den vielen jungen Zuhörern, darunter viele Jusos, die Barley links und rechts mit Europafähnchen flankieren.

Zuvor hatte Larissa Freudenberger, Göttinger SPD-Europa-Kandidatin und Vorsitzende des JUSO-Unterbezirks Göttingen, weitere Ziele der SPD benannt: Senkung des Wahlalters auf 16, Ausbildungsplatzgarantie, Mindestausbildungsvergütung, die Umsetzung des Pariser Klimaziele, die Einführung einer CO2-Steuer und die Entkriminalisierung von Seenotrettern. Die Politik solle „mehr auf Jugendliche zugeschnitten sein“. Das werde die SPD umsetzen, verspricht Freudenberger.

Nach fünfeinhalb Jahren als Profi-Politikerin drängt es die „Juristin aus Leidenschaft“ Barley nach Europa. Auf die selbstgestellte Frage „Warum Europa?“ hat sie drei Antworten.

Friede in Europa ist fragil

Da ist zum eine ihre persönliche Biografie: „Mehr Europa auf zwei Beinen als mich gibt es nicht“, sagt Barley, Kind britisch-deutscher Eltern. Ihren ersten Mann habe sie über ein europäisches Austauschprogramm kennengelernt. Die Großeltern ihrer Kinder stammen aus vier verschiedenen europäischen Ländern. Unter diesen Ländern habe es in der Geschichte viele Kriege untereinander gegeben. Während ihr Vater im Zweiten Weltkrieg als Kind im englischen Lincolnshire britische Bomber bewunderte, erreichte ihre Mutter einen Tag nach der Bombardierung Dresdens durch ebenjene Bomber die Stadt an der Elbe. Der anschließende Friede, der inzwischen zwischen den europäischen Staaten herrsche, sei fragil. Aktuell zeige sich das auch an der durch den Brexit drohenden harten Grenze zwischen Irland und Nordirland. Ein soziales Europa, wie ihr es vorschwebt, da ist sich Barley sicher, hätte den drohenden Brexit verhindert.

„Europa macht sich nicht von alleine“

Weiter sieht Barley die Europäische Union mit der anstehenden Wahl an einem Scheidepunkt. Wird es ein Europa des Respekts geben oder mit Blick auf europaweit erstarkende Populisten, die sich „festgekrallt“ hätten, ein Europa des Nationalismus, in dem das Wohl der Einzelstaaten alleiniges Ziel sei. Barleys Antwort ist klar und sie mahnt: „Europa macht sich nicht von alleine.“

Um dieses Europa zu erhalten und verbessern, brauche es eine starke Sozialdemokratie, sagt Barley. Dafür will sie sich einsetzen. „Ich liebe diese Partei.“

SPD „besser als die Umfragen“

Barley macht den Göttinger Genossen Mut. „Wir sind besser als die aktuellen Umfragen“, stellt sie klar. Den Zwischenruf eines Zuhörers „Dann fragen Sie mal den Kevin Kühnert, warum wir so dastehen, wie wir dastehen“ lächelt Barley weg. Kein Wort über die Vorschläge des Juso-Chefs zu Kollektivierung großer Unternehmen auf demokratischem Weg.

Stattdessen hat Barley zum Schluss einen Rat: „Erzählen Sie Geschichten von Europa.“ Die EU stehe für Zusammenhalt, Sicherheit und Freundschaft. „Das müssen wir transportieren. Wir müssen die Gefühle der Menschen erreichen.“ Denn, und das ist ihre Botschaft, AfD-Wähler gingen trotz der vielen Argumente, die für Europa sprechen, „nicht über den Kopf, sondern über den Bauch“.