Einen prominenten Gast konnte der SPD-Unterbezirk Göttingen am Vorabend des 1. Mai im Bürgerhaus Grone begrüßen. Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil war aus Berlin nach Südniedersachsen gereist, um mit südniedersächsischen Gewerkschaftern, Betriebsräten und Parteimitgliedern über den tiefgreifenden Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt und die aktuelle Sozialpolitik zu diskutieren.

Heil machte einen entspannten Eindruck: „Ich bin ein glücklicher Arbeitsminister, der die gegenwärtige Machtverteilung in den Branchen und Regionen zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vernünftig gestalten will.“ Sein Credo: „Wir müssen aus dem technologischen Wandel den sozialen Fortschritt entwickeln.“

Er sparte nicht mit Sticheleien gegen die Koalitionspartner („Das ist wirklich eine besondere bildungspolitische Erfahrung“), machte jedoch deutlich, das die politischen Eckpunkte der SPD herausgestellt, aber nicht in endlosen Konflikten mit der Union verkämpft werden sollen. Ob Grundrente, Einschränkungen der sachgrundlosen Befristungen oder Nachunternehmerhaftung im Kurier- und Paketgewerbe – für Hubertus Heil zählt die konkrete Politik, die die Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirksam gestaltet.

Wer nun allerdings einen Bundesminister erwartet hat, der einfach nur seine Schlagworte runterbetet, der sah sich getäuscht. Augenzwinkernd formulierte er, das im vergangenen Jahr beschlossene Qualifizierungschancengesetz eigentlich besser mit „Gute Arbeit für morgen-Gesetz“ überschrieben zu haben. Reflektiert berief sich Heil auf den OECD-Länderbericht („Noch haben wir die Möglichkeit, auf der Grundlage einer einzigartigen Sozialpartnerschaft die Strukturbrüche aus der Position der Stärke zu gestalten.“), verwies auf seine Heimatstadt Peine („Früher haben 10.000 Menschen im Stahlwerk gearbeitet, heute sind es noch 800.“) und formulierte seinen persönlichen Grundsatz: „Bei aller Freude über die generelle Besserung auf dem Arbeitsmarkt müssen wir dafür sorgen, dass die Arbeitnehmer von heute die Arbeit von morgen erledigen können.“ Das gelte besonders für diejenigen, die schon länger „draußen“ sind.

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Zu den Gästen des Arbeitnehmerempfangs gehört auch MdL Gabriele Andretta, Grones Ortsbürgermeisterin Birgit Sterr, Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler und (nicht im Bild) MdL Gerd Hujahn.

Heil beschrieb die Branchen mit besonderen Herausforderungen wie Banken, Handel und Versicherungen und verwies im nächsten Atemzug auf die besonderen Fachkräfteengpässe bei den sozialen Dienstleistungen. Heil beklagte, dass nur 20 Prozent der Altenpfleger tarifgebunden sind: „eine Schande für unser Land“. Er lieferte schlüssige Begründungen dafür, warum die sachgrundlose Befristung zurückgedrängt werden muss und welche Konzepte er dafür verfolgt. Klar ist für ihn: „Die Konservativen reden so viel von Recht und Ordnung. Das muss auch für den Arbeitsmarkt gelten.“

Ebenso kenntnisreich wie humorvoll beantwortete der Bundesminister die Publikumsfragen, die aktuelle Themen genauso umfassten wie die Abkehr vom alten Hartz 4-System. Noch ein Grundsatz von Hubertus Heil: „Wir beurteilen den Sozialstaat nicht danach, wie hoch die Ausgaben dafür sein, sondern ob am Ende des Tages die Menschen selbstbestimmt leben können.“ (gaf)

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Mehr als nur eine freundliche Begrüßung. Thomas Oppermann freut sich sichtbar über den Auftritt des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil, eben das UB-Vorstandsmitglied Andreas Klatt im Hintergrund.