Der SPD-Unterbezirk Göttingen hat auf seiner vierten Mitgliederversammlung seit der Bundestagswahl 2017 die Zukunft der Partei im Zeichen schwindender Zustimmung diskutiert. Zwar sei Südniedersachsen im Vergleich zu anderen keine wirkliche Problemregion, aber „dieses Jahr muss besser werden als das verlorene Jahr 2018. Wir wollen unseren Beitrag leisten, dass die Partei insgesamt wieder in Schwung kommt“, begrüßte Thomas Oppermann den Gastredner Matthias Miersch.

Miersch (seit 2005 Bundestagsabgeordneter) ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Sprecher der Parlamentarischen SPD-Linken aus Hannover. Oppermann beklagte die zähflüssige Koalitionsbildung im Bund, wies aber mit Optimismus auf die bevorstehende Europawahl im Mai 2019 hin. „Diese Wahl ist eine große Chance, die richtigen politischen Akzente zu setzen und die Populisten, die Europa handlungsunfähig machen wollen, in die Schranken zu weisen“, sagte der Bundestagsvizepräsident, der seinen Wahlkreis Göttingen direkt gewann.

Miersch stieg in seinen Vortrag mit einer grundlegenden gesellschaftlichen Analyse ein. Er fragte: „Was sind überhaupt noch die gemeinsamen Nenner, die unsere Gesellschaft begeistern?“ Er schloss daraus: „Die Armut, die großen Themen anzugehen, ist eklatant“ und forderte: „Wir müssen als Partei wieder lernen, grundsätzliche Themen aufzugreifen und diese wieder mit Spaß rauf und runter diskutieren.“

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Die Hauptakteure des Abends (von rechts): Matthias Miersch (MdB), Frauke Bury und Doris Glahn (Diskussionsleitung) und Thomas Oppermann (MdB, UB-Vorsitzender).

Dabei nannte er drei zentrale Bereiche:

1. Wie stehen wir zum Internationalen?

Miersch: „Die großen Fragen lassen sich nicht mehr im nationalen Alleingang, sondern nur über eine starke EU lösen. Er reflektierte die unterschiedlichen Betrachtungen von Rüstungsexporten, forderte, sich in der Flüchtlingsfrage „endlich ehrlich zu machen“ und schloss mit der Feststellung: „Wir können für Europa nur begeistern, wenn wir auf nationaler Ebene für soziale Sicherheit sorgen.“

2. Vom Wert der Arbeit

Womit Miersch sogleich beim Wert der Arbeit, gesellschaftlicher Anerkennung, Grundübeln des Hartz-Pakets, der Rente, aber auch beim bedingungslosen Grundeinkommen angekommen war. Bemerkenswert für einen Parteilinken, die üblicherweise gerne die Retro-Karte ziehen, reflekierte Miersch individuelle Transformationen, die er mit einem Hinweis auflöste: „Die alte Arbeiterpartei gibt es nicht mehr. Wenn wir heute Steuern erhöhen, kann es sein, dass wir damit den Facharbeiter treffen“, so Miersch.

3. Verhältnis von Arbeit und Umwelt

Miersch befasste sich mit dem weitgehend ungeklärten Verhältnis von Arbeit und Umwelt. „Da stecken Diskurse drin, die sich gewaschen haben“, stellt der Umweltpolitiker unumwunden fest und nannte die Bereiche Kohle und Automobil. Miersch: „Die sozial-ökologische Transformation lässt sich nicht mit der Brechstange bewegen.“ Zudem sei die Frage, was eine Demokratie für einen investitionsstarken Staat leisten kann, im Vergleich zu zentralistischen Systemen wie China „weitgehend offen“. Er lobte das Ergebnis der Kohlekommission („Weit mehr als Jamaika je bewerkstelligt hätte“) und mahnte die rund 100 anwesenden Genossinnen und Genossen: „Niemand wird dafür gewählt, was er irgendwann mal geleistet hat.“ (gaf)

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In einem eigenen Redebeitrag verteidigte Thomas Oppermann vehement das deutsche, europäische und internationale Asylrecht und plädierte für eine klare Trennlinie zur Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen.

Kommentar: Die Partei muss wieder debattieren lernen