Am 30. August 1988 führte die Sozialdemokratische Partei Deutschlands auf ihrem Bundesparteitag in Münster die Geschlechterquote für alle Wahlen innerhalb der SPD und alle Europa-, Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen ein. Die Göttinger ASF erinnert an diesen Quotenbeschluss, der vor 30 Jahren eine neue Ära der Frauenpolitik in der Geschichte der SPD eingeleitet hat. Auf allen Parteifunktionen und Wahllisten müssen Männer und Frauen seitdem mindestens zu 40 Prozent vertreten sein.

Dank an Inge Wettig-Danielmeier

Dieser wegweisende Beschluss wurde von der früheren Göttinger Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) Inge Wettig-Danielmeier erstritten. „Inge Wettig-Danielmeier hat mit der Durchsetzung der Quote in der SPD vor 30 Jahren nicht nur den Weg für eine ganze Generation von SPD-Politikerinnen geebnet. Sie hat damit Geschichte geschrieben, denn die Ergänzung des Grundgesetzes im Artikel 3 aus dem Jahr 1994, die den Staat dazu verpflichtet, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau zu fördern, wäre ohne ihre Vorarbeit nicht möglich gewesen,“ dankt Dr. Dagmar Schlapeit-Beck, eine der Vorsitzenden der Göttinger ASF.

Forderung nach Paritätsgesetz

Um die auch nach 30 Jahren Quote noch immer bestehenden Benachteiligungen von Frauen in der Politik zu überwinden fordert die ASF bei der anstehenden Reform des Wahlrechts die Einführung eines Paritätsgesetzes nach französischem Vorbild. Wahllisten sollen nur dann gültig sein, wenn Frauen paritätisch aufgestellt würden. 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts zeigt das Ergebnis: Ohne den von Inge Wettig-Danielmeier erkämpften Quotenbeschluss hätten Frauen in der SPD nicht so viel erreicht. Und hierbei geht es nicht nur um Ämter, sondern um den Einfluss auf die Politik der SPD und mehr Rechte für Frauen. Die ASF fordert, nicht bei der 40 Prozent Quote stehenzubleiben, sondern das Wahlrecht hin zu einem Paritätsgesetz zu ändern.

Situation in Göttingen

Stolz ist die Göttinger ASF auf den Erfolg ihrer Landtagsabgeordneten Dr. Gabriele Andretta, die als erste Frau in Niedersachsen zur Landtagspräsidentin gewählt wurde. Unter den 16 Mitgliedern der SPD Ratsfraktion Göttingen (mit Oberbürgermeister) sind allein 8 Frauen, dort besteht Parität. Vorbildlich ist auch die Besetzung der Ortsbürgermeister/innen in der Stadt Göttingen. In 8 von 9 Ortsteilen stellt die SPD den Ortsbürgermeister, davon allein 5 Ortsbürgermeisterinnen: Birgit Sterr in Grone, Heidrun von der Heide in Groß Ellershausen, Ingrid Möhring in Herberhausen, Dr. Karla Busch in Holtensen und Karola Margraf in Nikolausberg. In der 26 köpfigen SPD-Kreistagsfraktion (mit Landrat) stellen die 9 Frauen 35 Prozent.

Rückgang des Frauenanteils in den Parlamenten

Heute sind ein Drittel aller SPD-Mitglieder Frauen. Mit Andrea Nahles hat die SPD erstmalig in ihrer Geschichte eine Frau als Partei- und Fraktionsvorsitzende. Bei den Listenwahlen wendet die SPD das Reißverschlussverfahren an, eine alternierende Nominierung von Frauen und Männern. Dadurch beträgt der Frauenanteil in der deutschen SPD-Fraktion im Europaparlament 48 Prozent. In der SPD-Bundestagsfraktion liegt der Frauenanteil bei 42 Prozent. Allerdings sind im gesamten Deutschen Bundestag nur noch 30,9 Prozent Frauen vertreten. Zum ersten Mal seit 1949 ist dieser im Vergleich zur Wahlperiode zuvor (36%) gesunken - auf das Niveau von 1998!

Die Göttinger ASF weist darauf hin, dass dem Niedersächsischen Landtag in der 18. Wahlperiode weniger Frauen angehören als bisher. Der Anteil der weiblichen Abgeordneten im 2017 gewählten Landtag ist auf 27,7 Prozent gesunken und damit so niedrig wie zuletzt vor 20 Jahren. Der Frauenanteil vor der Wahl betrug 31,39 %. Der Frauenanteil in der niedersächsischen SPD-Landtagsfraktion beträgt hingegen 34,6 Prozent. Bundesweit sind von allen SPD Oberbürgermeistern lediglich 7,3 % Frauen, von SPD Bürgermeistern in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern 20,7 % Frauen und von den SPD Landräten 9,7 % Frauen.

„Die Quote hat Frauen dabei unterstützt, in verantwortliche politische Positionen zu gelangen. Von einer gleichberechtigten Teilhabe von Frauen in der Politik sind wir jedoch noch weit entfernt. Immer dort, wo es um Einzelkandidaturen oder Direktmandate geht, sind auch SPD-Politikerinnen noch immer unterrepräsentiert. Die ASF fordert von der Göttinger SPD eine Quote bei der Besetzung kommunaler Gremien, Vorstände und Aufsichtsräte. Bei der Nominierung künftiger Kandidaten und Kandidatinnen als Hauptverwaltungsbeamte, also Oberbürgermeister/innen, Bürgermeister/innen und Landrat/Landrätin erwartet die Göttinger ASF von der SPD eine paritätische Aufstellung von Frauen: Wir erwarten, dass die Göttinger SPD bei der Gleichstellung von Frauen eine Vorbildfunktion einnimmt,“ so die Vorsitzende der Göttinger ASF Dr. Dagmar Schlapeit-Beck.