Am Aschermittwoch sind die tollen Tage vorbei. Diese Karnevalsregel wurde heuer ebenso auf dem politischen Aschermittwoch im SPD-Unterbezirk beschworen. Der UB-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Thomas Oppermann merkte halb ironisch halb ernst an: „Nirgends waren die tollen Tage närrischer als in der SPD.“ Nun sei Zeit zur inneren Einkehr. Schließlich liegt die Bundestagswahl 143 Tage zurück, ohne dass eine stabile Bundesregierung gebildet wurde.

Oppermann sieht in dem zwischen SPD, CDU und CSU ausgehandelten Entwurf für einen Koalitionsvertrag eine „solide Grundlage“ für die Bundespolitik der kommenden vier Jahre. Er warb vor den rund 150 Veranstaltungsbesuchern im Niedersachsenhof Gieboldehausen für eine mutige SPD in einer grundlegend veränderten Parteienlandschaft. „Auf der einen Seite haben wir die Populisten von AfD, Linkspartei und FDP, auf der anderen Seite stehen SPD, Union und Grüne, die bereit sind, für das demokratische Gemeinwesen Verantwortung zu übernehmen“, analysierte der Bundestagsvizepräsident in seiner Begrüßung und verwies auf 172 SPD-Neumitglieder seit 1. Januar 2018 allein im Unterbezirk Göttingen.

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Für den musikalischen Rahmen sorgten auch beim 28. politischen Aschermittwoch in Gieboldehausen die Original Landolfshäuser Blasmusikanten.

Ausgelassene Stimmung kam im Saal auf, als Hauptredner Boris Pistorius das Wort ergriff. Niedersachsens Innenminister wechselte zwischen Humor und ernsthaften Passagen – und zwischen eigener Stimme und der von SPD-Urgestein Willy Brandt. „Wir wagen Demokratie, wir faseln nicht nur darüber“, konnte als Brücke zwischen damals und heute verstanden werden. Mit dem Satz „Diese Sozialdemokratie kann mehr“ traf Pistorius/Brandt exakt die Stimmung im Saal. Viel Beifall bekam der Sprecher der Länderinnenminister für sein Versprechen, weiter für eine maßvolle Innen- und eine humanitäre Flüchtlingspolitik zu sorgen. Seine Haltung zur Regierungsbeteiligung ist eindeutig: „Wir dürfen diese Themen nicht den anderen überlassen, wir müssen Einfluss nehmen!“ Auch er stellte richtig, dass eine große Koalition „keine Liebeshochzeit“ sei und die SPD gut daran tut, mehr Selbstbewusstsein für das Erreichte zu zeigen „als immer nur darüber zu lamentieren, was noch nicht erreicht werden konnte“.

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"Orden am Bande" - so nennen die Eichsfelder ihre köstliche Mettwurst, die Innenminister Boris Pistorius von Reinhard Dierkes überreicht bekam.

Genau diese Haltung hatte zuvor Göttingens Landrat Bernhard Reuter an den Tag gelegt. Aus kommunaler Sicht warb der viermal ins Amt Gewählte bei den SPD-Mitgliedern mit Nachdruck um Zustimmung zur Regierungsbeteiligung. So verlässlich wie nie sichere der Bund das Steueraufkommen und die Investitionen der Kommunen. Er warnte vor dem Verlust des Grundvertrauens zwischen Parteiführung und Basis. Reuter: „Bitte schätzt das bei allem Ärger nicht als zu gering ein, wenn wir Nahles und Scholz jetzt nicht vertrauen.“ Nachdenkliche Töne stimmte Doris Glahn an. Die Fraktionsvorsitzende im Duderstädter Stadtrat warnte vor der „konservativen Revolution“ der CSU, kritisierte die FDP für ihren Ausstieg aus den Jamaika-Verhandlungen und freut sich, dass die Niedersachsen-SPD als stärkste Partei weiter den Ministerpräsidenten stellt.

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Janker und Narrenkappe stehen Reinhard Dierkes, Fraktionsvorsitzender im Göttinger Kreistag, richtig gut.

Eröffnungs- und Schlussworte lagen in diesem Jahr des mittlerweile 28. politischen Aschermittwochs im Eichsfeld bei Reinhard Dierkes. Der in Bilshausen (Eichsfeld) wohnende Fraktionsvorsitzende im Göttinger Kreistag hatte die Ehre, alle Redner mit einem „Orden am Bande“ zu beglücken. Darunter ist in dieser Gegend eine leckere Mettwurst zu verstehen, wie sie besser nicht schmecken kann. Mit der Bilshäuser Narrenkappe auf dem Kopf hatte er zuvor einen offenen Brief an die SPD gereimt. Im dem heißt es: Angeblich wird jetzt die Partei erneuert, ich finde es langsam nur noch bescheuert. Reißt euch zusammen, arbeitet fleißig, dann kommt ihr auch wieder über 30!“ (gaf)