Die Integration von Flüchtlingen und der gesellschaftliche Zusammenhalt standen im Mittelpunkt des ordentlichen Landesparteitags der SPD Niedersachsen in Braunschweig. Neben der Vorstandswahlen, bei denen Ministerpräsident Stephan Weil mit 94 Prozent wiedergewählt wurde, stand der Leitantrag „Solidarität und Sicherheit – Sozialdemokratische Antworten auf die Flüchtlingsnot“ zur Beratung und Abstimmung. Unter den 200 Delegierten waren sieben aus dem Unterbezirk Göttingen mittendrin.

Mit Reiner Lotze, MdL Karl Heinz Hausmann und Alexander Saade kamen drei der Delegierten aus Osterode. Sie gestanden, dass es für sie doch noch etwas ungewöhnlich sei, nach dem Wechsel vom SPD-Bezirk Braunschweig in den Bezirk Hannover den Freunden aus der Zeit vor dem Zusammenschluss von Osterode und Göttingen zu begegnen.

Als Gastredner begrüßte die SPD Niedersachsen Jean Asselborn, Luxemburgs Außenminister und Minister für Immigration und Asyl. "Es ist vielen Menschen nicht klar, wie wichtig Europa für uns ist. Ein Europa, das nicht nur gemeinsamer Wirtschaftsraum ist, sondern Garant für die Anerkennung von Grundwerten, für soziale Sicherheit und für Demokratie", berichtete Gleichen Bürgermeister Manfred Kuhlmann. Doris Glahn aus Duderstadt ergänzt: "Es kann nicht sein, dass Werte wie die Pressefreiheit und die Religionsfreiheit in Frage gestellt werden. Wir verdanken Europa, dass wir hier seit 70 Jahren keinen Krieg erleben mussten." Auch die Landtagsabgeordnete Gabriele Andretta zeigte sich beeindruckt von dem kämpferischen Luxemburger: "Europa hochhalten heißt, seinen Staat vor Nationalismus bewahren und zeigen, dass die Geschichte verstanden worden ist".

2016 04 09 Landesparteitag
Reiner Lotze, Manfred Kuhlmann, MdL Gabriele Andretta, Doris Glahn, Bärbel Diebel-Geries, "Delegationsgast" MdEP Bernd Lange und MdL Karl Heinz Hausmann auf dem Landesparteitag.

Stephan Weil hat die sozialdemkratischen Aufgaben in seiner Grundsatzrede so beschrieben: "Wir wollen unsere Gesellschaft zusammenhalten." Es geht um bezahlbaren Wohnraum, mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, die Abschaffung der Studiengebühren, bessere Bildung, aber auch um die dritte Kita-Kraft. Alles Themen, bei denen die rot-grüne Landesregierung viel bewegen konnte. Auch dass es demnächst wieder eine Landeszentrale für politische Bildung gibt, fand auf dem Parteitag viel Zustimmung. Der Leitantrag "Solidarität und Sicherheit" betont die Integration, den sozialen Zusammenhalt und die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Strategie für die Regelung des Zuzugs von Flüchtlingen nach Europa.

Von lang anhaltendem Applaus der Delegierten wurde die Rede von Sigmar Gabriel begleitet. Zu den "Panama-Papers sagte der Parteivorsitzende: "Das ist der wahre Sozialmissbrauch unseres Landes, und das sind die wahren Asozialen in unserem Land." Er hob die umfangreichen Leistungen der Sozialdemokraten in der Bundesregierung hervor. Mindestlohn und Frauenquote zählt er ebenso dazu wie die Mitpreisbremse und die Unterstützung der Kommunen durch den Bund in Höhe von 20 Milliarden Euro sowie die außenpolitischen Erfolge von Frank-Walter Steinmeier. Er forderte die Delegierten auf, die Erfolge entschlossener nach außen zu vertreten. Vehement verteidigte er sich und seine Kabinettskollegen gegen Vorwürfe, etwa bei Waffenexporten falsche Entscheidungen getroffen zu haben.

Erfolgreich waren einige Göttinger Anträge. So hat der Landesparteitag beschlossen, den Bund aufzufordern, den Kommunen die Gesundheitskosten der Flüchtlingsversorgung zu erstatten, eine flächendeckende Versorgung mit Schulsozialarbeit sicherzustellen und die Kostenübernahme für alle Schülerinnen und Schüler bis zum Abschluss Sek. II anzustreben, denn „Schulwege sind Bildungswege“, erläuterte Gabriele Andretta. Der SPD-Landesparteitag forderte die SPD-Landesregierung, eine Lösung für die Kostenübernahme der Schülerbeförderung für alle Schülerinnen und Schüler bis zum Abschluss der Sek. II zu entwickeln. In der Begründung heißt es: "Unser Ziel muss es sein, für alle Kinder gleichwertige Verhältnisse in Niedersachsen zu schaffen. Kinder, die mit ihren Familien abseits der Ober- und Mittelzentren leben, sind im Bildungsbereich nach wie vor benachteiligt." Das gilt für Südniedersachsen wegen des vergleichsweise teuren Verkehrsverbund ganz besonders. Da kostet eine Schülermonatskarte häufig über 100 Euro im Monat.

Eine spannende Diskussion wurde zum Göttinger Antrag geführt, die Schuldenbremse zu lockern. Eine starke Minderheit (auch die Göttinger Delegierten) setzte sich für eine Steuerpolitik ein, die der wachsenden Kluft in der Vermögens- und Einkommensverteilung entgegensteuert.

Personell verlief der Landesparteitag aus Sicht der Südniedersachsen enttäuschend. Der SPD-Unterbezirk hatte den Göttinger Ratsherrn und Schulleiter Tom Wedrins als Beisitzer für den Landesvorstand vorgeschlagen. Der Bezirk Hannover verfolgte jedoch einmal mehr in der Landeshauptstadt angesiedelte Interessen und schloss sich der Nomenierung nicht an. Der nach der Fusion von Göttingen und Osterode zweitgrößte Unterbezirk ist somit im Landesvorstand nicht vertreten. (gaf)