„Staat und Kirche trennen – Laizismus leben“ – Dieser Antrag der Göttinger Jungsozialisten (Jusos) führte im Rahmen eines Unterbezirksparteitages zu einer lebhaften Debatte. Abgestimmt wurde er nicht, sondern vielmehr eine entsprechende Diskussionsveranstaltung geplant. Nun war es soweit. Unter der Moderation von Thomas Oppermann diskutierten im bis auf den letzten Platz besetzten Ingeborg-Nahnsen-Forum der Göttinger SPD drei engagierte Referenten.

Robin Roth für die Jusos, Horst Isola als sozialdemokratischer Laizist aus Bremen und Wolfgang Thierse, MdB, für den Arbeitskreis Christinnen und Christen in der SPD (AKC). Die knapp 100 Gäste, darunter viele Delegationen Göttinger Kirchengemeinden bis hin zum Superintendenten des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Friedrich Selter, wurden Zeuge, wie kontrovers es manchmal in der SPD, die „inzwischen eine weltanschaulich pluralistische Volkspartei geworden“ sei, so Wolfgang Thierse, zugehen kann. Während Robin Roth den Laizismus dahingehend definierte, Religion und Glaube sei reine Privatsache des Einzelnen und sich ferner vor allem gegen den staatlichen Einzug der Kirchensteuer und das kirchliche (Sonder-)Arbeitsrecht wandte, legte Horst Isola einen ganzen Forderungskatalog des Laizismus dar. Ausgehend von einem Transparenzmantra ging es gegen Verträge zwischen Staat und Kirche bis zurück zum Reichsdeputationshauptschluß von 1803, die Stellung von Kirchen/Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechtes, keine Kreuze in öffentlichen Räumen, bis hin zum Ziel einer staatlichen (Aus-)Bildung ohne religiöse Inhalte. „Mehr Bebel als Bibel!“, so Isolas erste Spitze des Abends.

Dem hielt Thierse entgegen, daß er genau diese laizistischen Forderungen schon einmal in den ersten Jahrzehnten seines Lebens umgesetzt erlebt habe – in der DDR. Die Forderung, Religion sei Privatsache, reduziere Religion, die gerade in der und für die Gesellschaft wirken will und muß, auf den privaten Raum. Das beweise die Religionsfeindlichkeit vieler Laizisten. Der deutsche Staat sei zwar säkular, die deutsche Gesellschaft jedoch nicht, wenn nach wie vor 2/3 der Bevölkerung einer Religionsgemeinschaft angehörten. Ferner betonte Thierse das Bad Godesberger Programm der SPD aus dem Jahre 1959. Seit dem sei die SPD gerade nicht mehr die atheistische Weltanschauungspartei August Bebels.

Thomas Oppermann fragte ergänzend: "Was würde besser, wenn wir Laizisten werden?" Er stellte ein notwendiges Wertesystem in den Mittelpunkt seiner Überlegungen, von dem die Menschen "zutiefst überzeugt sind". Und zu diesem gesamtgesellschaftlichen Wertesystem tragen nach seiner Wertung die Religionsgemeinschaften viel bei. Oppermann: "Woher kommen im Laizismus die Impulse für den Zusammenhalt der Gesellschaft?"

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Die Teilnehmer der Diskussionsrunde: Robin Roth (Jusos), Wolfgang Thierse MdB, Thomas Oppermann und Horst Isola (SPD-Laizisten).

Nach diesen kurzen Auftaktstatements schloß sich ergänzt durch zahlreiche Beiträge aus dem Publikum eine kontroverse wie muntere Debatte an. Gegen deren Ende Thomas Oppermann den Ausblick wagte, es werde zu Veränderungen beim kirchlichen Arbeitsrecht kommen: vom Dritten Weg der Dienstgemeinschaft in Richtung des modernen Arbeitsrechtes. Der anwesende Göttinger Politikwissenschaftler Prof. Andreas Busch mahnte die SPD, die Kirchen wie auch Religionsgemeinschaften als Partner gegen die Ökonomisierung der Gesellschaft zu akzeptieren. Deutschland sei zwar kein laizistischer Staat, weltanschaulich-religiös neutral sei er aber bereits jetzt.

Beitrag über unsere Veranstaltung auf Stadtradio 107.1

Sendung: Der Nachmittag - Information zum Feierabend [Redaktion]
Autor: Kilian Schlichting
vom 06.03.2013
Dauer: 04:20 Minuten

Wir sind nicht mehr Papst. Und bald vielleicht auch gar nichts mehr - im religiösen Sinne -, denn die Zahl der Kirchenaustritte steigt ständig an. Laut der Konrad-Adenauer-Stiftung wird in 15 Jahren die Gruppe derer, die keiner der großen Konfessionen angehören, die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland ausmachen. Was Atheisten paradoxerweise als „Segen“ empfinden, ist für Andere ein Fluch. Da diese Spaltung auch innerhalb der SPD besteht, gab es gestern im Göttinger Parteihaus eine Podiumsdiskussion zum Thema „Religion und Säkularität“. Eingeladen war unter anderem der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestages Wolfgang Thierse. Mehr darüber erfahren Sie jetzt von Kilian Schlichting.